Ein Häkeltrend, der süchtig machen kann
Ich frage mich ja schon, ob man über so etwas Triviales wie Hobbies schreiben kann, während die Welt da draußen gefühlt zerbröselt. Aber ich habe mich ganz bewusst dafür entschieden, und wenn es nur dazu dient, sich ein wenig abzulenken.
Ich muss zugeben, Häkeln war nie so meins. Als Kind sollte ich in der Schule mal eine Puppendecke häkeln, die war dann total schief, weil ich das mit der Luftmasche vorm Wenden immer vergessen habe. Mir macht die Technik, also die Ausübung, eigentlich Spaß, ich finde es aber körperlich anstrengender und einseitig belastender als z.B. Stricken. Auch gefällt mir die Optik meistens nicht. Ausnahme: In Runden häkeln und z.B. Körbe herstellen, da finde ich das Muster ganz nett. Aber da ich eher Kleidung herstellen möchte, fällt das also auch flach. Und Häkel-Kleidung....? Nu jaaa... Ich weiß nicht, ich finde es immer irgendwie zu grob und sperrig, besonders, wenn es aus Baumwollgarn gemacht ist. Auch Granny squares gefallen mir so gar nicht, rein optisch gesehen.
Aber seit ein zwei Jahren scheint das der totale Trend zu sein, und spätestens seit Taylor Swift Häkelkleider trägt, schwingen wieder viel mehr junge Menschen die Häkelnadel. Immer öfter wurden mir daher Videos mit Irischer Häkelei angeboten, das musste ich mir natürlich anschauen. Der Hit sind neben Kleidern wohl auch Kaputzenjacken/-Mäntel im Irish-Crochet-Style.
Irische Häkelei entstand während der großen Hungersnot in Irland und wurde auch dort unterrichtet, damit sich die Menschen ein Zubrot verdienen konnten. Irische Häkelei imitiert Venezianische Spitze, war aber billiger in der Herstellung. Schon sehr junge Mädchen haben damals Spitze produziert, Abends, so dass sie sich vermutlich wegen schlechter Beleuchtung die Augen verdorben haben. Das Problem von "Cheap Labor" ist also kein neues Problem, wir haben es nur weiter weg verlagert. Und zum Taylor-Swift-Kleid finden sich auch viele mahnende Videos im Netz, die darauf hinweisen, dass Häkelarbeiten immer von einem Menschen ausgeführt wird. Es gibt, im Gegensatz zum Stricken keine Maschine, die das übernehmen kann. Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht.
Möglich wäre es wahrscheinlich, eine solche Maschine zu entwickeln, aber vermutlich ist der Bedarf einfach nicht so hoch.
Traditionell wird Irish Crochet, wie es auf Englisch heißt, mit zwei Garnstärken gearbeitet: Eine dickere für die Motive, und eine feinere, um dann die Motive miteinander zu verbinden. Dadurch treten die Motive optisch schön hervor. Die Motive werden traditionell mit dem feineren Garn zusammengehäkelt. Wenn man nur eine Garnstärkte zur Verfügung hat, dann kann man die Motive auch zusammennähen, sonst wird das Ganze zu grob, und das Motiv wird undeutlich. Beim Nähen zieht man den Faden nicht fest, sondern überkreuzt diesen mit dem letzten Stich, so dass sich eine Art Netz bildet.
Irisch crochet war auch schon mal Thema bei den Stoffspielereien, und Suschna hat dazu einen schönen Blog-Beitrag geschrieben. Die dort verlinkten Beispiele aus dem Met haben es mir sooo angetan, dass ich das auch mal probieren wollte.
Ich bin zu folgenden Schlüssen (für mich) gekommen: Ich finde die Häkelei, die im Metmuseum ausgestellt sind, deswegen so toll, weil das Garn etwas unregelmäßig ist. Das ist ja oft so: Zu perfekt (im Sinne von einheitlich), und die Dinge verlieren den Zauber. Das fällt mir immer wieder auf, sei es bei alten Teppichen, Quilts, Sashiko & Boro etc: Brandneu und absolut akkurat ist nicht so interessant wie ein Stück, bei dem man den Künstler förmlich spüren kann.
Daher habe ich, neben klassischem Häkelgarn, verschiedene andere Garne ausprobiert. Das übliche mercerisierte Häkelgarn kann ich mir für Verzierungen aller Art ganz gut vorstellen (so wie ich es hier schon mal bei den Stoffspielereien ausprobiert habe), aber für Irish Crochet ist es mir zu steif und zu ebenmäßig.
Mir sind zwei Garne in die Hände gefallen, die mir sofort passend erschienen: Zum Einen bereits zwei mal aufgeribbeltes Bouretteseiden-Garn von Ito, welches absolut toll ist, aber schwer zu verstricken Das Gestrickte hängt sehr leicht durch und wirkt labbrig. Deswegen verstricken viele dieses Garn mit z.B. Mohair als Beilaufgarn, was ja zuletzt sowieso schwer in Mode war. Meiner Meinung nach verliert das Garn dann aber die tolle Seiden-Tweed-Optik.
Nach zwei Anläufen gab ich auf. Jetzt war es schon in kürze Stücke geschnitten worden, daher ein perfektes Ausgangs-Material für Irische Häkelei.
Fast noch wichtiger als bei gestrickten Sachen finde ich beim Häkeln übrigens das Blocken/Nass in Form ziehen.
Hier seht ihr den Unterschied:
Zum Anderen schwebte mir noch Lacegarn vor. Das erste Garn, dass ich ausprobiert habe, war zu flauschig. Die Häkelstruktur war kaum sichtbar, das Arbeiten eine Qual, und Aufribbeln ging gar nicht, es verfilzte alles zu einem Knubbel, der sich nicht mehr lösen lies. Dann also Versuch zwei, ein Restgarn unbekannter Herkunft, was mehr wie Sockengarn mit gaaanz leichtem Flausch war. Das war schon viel besser. Ich habe jeweils die Spitzen der Dreiecke gleich beim Arbeiten verbunden, so dass ein Streifen mit nahezu geraden Kanten entsteht. Leider hatte ich davon nur ein Knäuel, so dass daraus allenfalls ein Stirnband werden kann.
Aber wie es der Zufall wollte hatte ich noch Local Wool von Erica Knight herumliegen. Das Garn ist ganz toll, leicht unregelmäßig, auch in der Farbe, weil die Wolle die Farbe unterschiedlich angenommen hat. Außerdem riecht es nach Schaf :-) Das liebe ich ja.
Man kann den gehäkelten Teil auch toll mit gestrickten Teilen kombinieren. Ich bin ja eh so ein Jack of all Trades, ich kann mich da nur schwer beschränken. und muss immer alles ausprobieren. In diesem Fall bilden die gehäkelten Partien die Ärmel, der Rest wird gestrickt, wobei die Bündchen einfädig, der Pulli mit doppelten Faden gestrickt wird.
Euch noch ein schönes Wochenende und schöne, geruhsame Feiertage, trotz alledem, was gerade so passiert.
Eure Anne Sophie
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