Jetzt ist es so weit, ich habe ein neues Schnittmuster erstellt für einen kuscheligen Pullunder/Poncho/Schalkragen/Bib/Tabard/wieauchimmer man es nennen möchte. So einen Mini-Poncho passend zum Mantel wollte ich schon set letztem Jahr haben, weil sie so unglaublich gemütlich aussehen (und es auch sind!). Pullunder sind ja sowieso prima, aber diese hier kommen auch noch mit einem Stehkragen, so dass man sich den Schal sparen kann, außerdem wärmen sie Schulter, Rücken und Bauch und passen über nahezu alles drüber und drunter, weil sie seitlich offen sind. Auch zuhause werfe ich mir sie manchmal drüber, so als tragbare Decke :-)
Der Pullunder wird aus zweifarbigen Doubleface genäht, so dass ihr ihn wenden könnt, je nach Laune. Seitlich gibt es Knöpfe, so dass man ihn wie einen klassischen Pullunder tragen kann. Die Knöpfe kann aber man natürlich auch weglassen. Ich habe gleich zwei Varianten genäht, einmal mit Schlaufen und einmal mit Knopflöchern. Besonders schön sieht es aus, wenn der Mantel aus dem gleichen Stoff genäht ist. Ein Mantel aus dem rot-braunen Stoff habe ich schon in Arbeit, allerdings wird das eine längere Geschichte wegen der vielen Nähte, denn ich möchte ihn ungefüttert und wendbar machen.
Doubleface - was ist das? Wie der Name schon sagt, handelt es sich um einen Stoff mit zwei "Gesichtern", im Fall vom echten, gewebtem Doubleface, um zwei Lagen Stoff. Diese zwei Lagen werden schon während des Webens durch einen gemeinsamen Kettfaden miteinander fest verbunden. Dieser Kettfaden, der in bestimmten Abständen eingezogen wurde, wird mal beim oberen Stoff, mal beim unteren Stoff mit eingewebt. Diesen speziellen Kettfaden erkennt man oft an einer anderen Farbe und Beschaffenheit. Es gibt auch noch unechten Doubleface, der nur geklebt wird. Diesen kann man theoretisch auch verwenden, man sollte vorher nur testen, ob sich die zwei Lagen sauber trennen lassen.
Außerdem werden zweifarbige Jersey-Stoffe manchmal als Doubleface bezeichnet, diese eignen sich jedoch nicht, da sich die Seiten nicht zerstörungsfrei trennen lassen.
Aber auch wenn ihr keinen passenden zweifarbigen Stoff findet, so könnt ihr ihn natürlich auch aus einlagigem Stoff nähen, was die Verarbeitung deutlich vereinfacht, so dass auch Einsteiger:innen sich daran wagen können. Wenn ihr Euch für einen Doubleface-Stoff entscheidet, so solltet ihr vertraut sein mit Paspelverarbeitung (Paspeltaschen oder Paspelknopflöcher), oder Lust haben, es zu lernen! Auch erfordert das Arbeiten mit Doubleface viel Nähen mit der Hand. Ich liebe es ja, aber wer sich damit gar nicht anfreunden kann, der kann die Kanten natürlich auch konventionell mit der Nähmaschine nähen, dann hat eine Seite sichtbare andersfarbige Kanten.
Kanten versäubern
Zunächst muss man die zwei Stofflagen voneinander trennen. Dazu muss man wissen, ob die Kante in Richtung Schuss oder Kette verläuft, oder, im kniffligsten Fall, schräg.
Links Richtung Schuss. Hier seht ihr deutlich den weißen Kettfaden, wie er zwischen den Lagen hin- und herwechselt. Dadurch bilden sich kleine "V"s. Bei kurzen Strecken kann man den Faden einfach herausziehen. Bei längeren Strecken kann man den Faden vorsichtig zerschneiden und dann die Einzelstücke herausziehen.
Rechts seht ihr Richtung Kette: Hier seht ihr, dass die gemeinsamen Schussfäden quer durchgeschnitten sind. Zieht vorsichtig die Stofflagen auseinander und schneidet die Fadenenden ab. Jetzt wieder vorsichtig ziehen und die Schussfäden abschneiden. Dabei leiert der Stoff leichter aus als bei Schuss, daher sollte man versuchen, gleichmäßig über eine größere Fläche zu ziehen, nicht nur punktuell.
Bei schräg verlaufenden Schnittkanten ist es nicht ganz so einfach, da müsst ihr nach Gefühl arbeiten und mal die eine, mal die andere Methode verwenden - und Geduld mitbringen. Zu viel Zerren kann ein Ausleiern und Ausbeulen des Stoffs führen.
Trennt die Lagen so weit voneinander, dass sich die Kanten sauber nach innen einschlagen lassen, ohne zu krumpeln. Ich habe bei diesem Stoff die Lagen ca. 2 cm weit voneinander getrennt, das hängt aber natürlich von der Dicke des Stoffs ab. Probiert es am besten immer wieder aus, bevor ihr weitermacht.
Nun könnt ihr die eingeschlagenen Kanten per Leiterstich zunähen. Achtet darauf, den Faden nicht zu straff zu ziehen. Die Kanten anschließend vorsichtig und ohne Druck bügeln, besser noch dämpfen.
Paspelknopflöcher nähen
Markiert euch die Position der Knopflöcher. Der Schlitz sollte knapp genauso lang sein wie der Knopf. Weicher Doubleface leiert bei der Arbeit eher aus, so dass die Maße dann nicht mehr ganz stimmen, daher die Knopflöcher lieber knapper kalkulieren.
Auch hier müssen die Kanten eingeschlagen werden, wofür ich diesmal 1 cm vorgesehen habe. Das Rechteck ist also 2 cm hoch und knapp so breit wie der Knopf, hier sind das 4 cm. Auch hier müsst ihr aber die Dicke eures Stoffes mit einkalkulieren, im Zweifelsfall vorher ausprobieren.
Ich habe an den Querkanten einen Hilfsfaden eingezogen (türkis), um das Ganze etwas zu stabilisieren und gegen Ausleiern zu schützen. Nun wie eingezeichnet aufschneiden, wer schon mal Paspeltaschen genäht hat, kennt das ja. Schneidet die Dreiecke nicht zu klein, sonst wird es friemelig. Nun kann man anfangen zu trennen, erst quer, dann die kurzen Längskanten. So sieht das Ganze dann aus.
Nun müsst ihr noch seitlich etwas Platz schaffen, um die Dreiecke nach innen einschlagen zu können. Außerdem werden dort die Enden der Paspelstreifen versteckt. Dazu vorsichtig (!) links und rechts vom Knopfloch weiter die Lagen trennen, bis ca. eine Fingerspitze Platz findet. Lasst euch Zeit dabei, denn wenn das Ganze zu sehr gedehnt wird, führt es zu unschönen Wellen. So. Das Schlimmste ist geschafft!
Scheidet zwei Streifen für die Paspeln zu. Dieser sollte auf beiden Seiten ca. 1 cm breiter sein als das Knopfloch, und gut zwei mal so hoch wie das markierte Rechteck, hier also 6 cm breit und 2,5 hoch. Ich habe die Webkanten verwendet, so passen die Paspel auf beiden Seiten, außerdem sind die Webkanten bei echten Doubleface dünner, da der Stoff dort nur aus einer Lage besteht. Andernfalls kann man auch die Lagen trennen und nur eine Farbe verwenden. Soll die Paspel jeweils die Farbe des Stoffs haben, so müssen diese erst entsprechend zusammengenäht werden, wodurch man dann vier Lagen Stoff hätte. Das ist mir in den meisten Fällen zu dick und wurschtelig.
Faltet die Paspelstreifen der Länge nach und bügelt sie flach. Steckt sie mit den Bruchkanten nach außen auf EINE Lage der Nahtzugaben (quer). Die Schnittkanten stoßen genau an dem Schlitz zusammen. Näht die Paspel mit kleinen Rückstichen fest, darauf achten, nur eine Lage zu erfassen. Dies ist noch nicht die finale Naht, sondern dient erst mal nur der Befestigung.
Wendet die Paspelstreifen so, dass nun die Bruchkanten zusammenstoßen. Steckt die Enden der Paspelstreifen in den Hohlraum links und rechts zwischen beide Stofflagen. Schlagt auch die Dreiecke an den Schmalseiten nach innen um. Bei Bedarf könnt ihr die Paspelstreifen noch etwas kürzen.
Steckt alles mit Stecknadeln fest und heftet die Bruchkanten der Paspeln zusammen. Entschuldigt das unscharfe Bild, ich habe es erst hinterher gemerkt, dass ich von diesem Schritt kein brauchbares Foto gemacht habe.
Messt nochmal nach, ob das Knopfloch die Richtige Größe hat. Näht nun mit kleinen Stichen die Nahzugabenkanten auf der Paspel fest. Es kann sein, dass ihr dabei die Kanten etwas zusammenziehen müsst, weil sie durch das Trennen der Lagen etwas ausgeleiert sind. Bügelt alles vorsichtig, wendet den Stoff und schlagt auf der anderen Seite die Nahtzugaben ein und näht sie ebenso fest. Hier seht ihr, dass sich das Ganze schon etwas nach außen wölbt durch die Lagen Stoff, die jetzt innen liegen. Das Knopfloch würde auf dieser Seite zu groß werden. Achtet deshalb, dass ihr die Kanten beim Nähen etwas nach innen zieht, siehe gestrichelte Linie.Nun könnt ihr beide Seiten nochmal vorsichtig dämpfen, in Form ziehen und das Knopfloch öffnen.
Das nächste mal versuche ich, noch knapper zu arbeiten, damit der Wulst um das Knopfloch noch kleiner wird. Aber wie heißet es ja: Übung macht die Meisterin... Wer keine Paspel-Knopflöcher nähen möchte, kann natürlich auch normale Knopflöcher nähen, oder Schlaufen annähen.
Viel Spaß damit, es gibt wirklich viele Möglichkeiten, Doubleface Stoffe kreativ einzusetzen. Ich finde ja, dass es viel zu selten schöne Doubleface Stoffe gibt, also ran an den Speck, falls ihr einen findet!
Viele Grüße,
Anne Sophie
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